Ich erinnere mich noch ganz genau an den Moment, als ich vor ziemlich genau einem Jahr nervös zu meiner ersten Interviewpartnerin Aitziber durch die brütend heißen Straßen Bilbaos gelaufen bin. Der Gedanke, allein auf Spanisch ein Gespräch zu führen zu einem Thema, das so vielschichtig ist wie das Leben selbst, von dem ich aber damals noch wenig Ahnung hatte, machte mich unruhig. Niemals hätte ich zu dem Zeitpunkt damit gerechnet, was ich alles auf meiner zis-Reise erleben würde und wieviel Einfluss diese Erfahrungen noch auf mein jetziges Leben haben würden.
Im August 2022 war ich dank des zis-Stipendiums fünf Wochen lang in Spanien unterwegs, um zum Thema Feminismus zu recherchieren. Durch die Reise wollte ich die Frage beantworten, wie sehr die Emanzipation das Land und die Leute dort verändert hat. Denn ich selbst hatte Spanien oft mit dem Machokult assoziiert und wollte selbst herausfinden, ob dieses Klischee stimmt. Dafür habe ich mit rund 20 Frauen gesprochen, die mit mir unglaubliche politische, historische, aber auch persönliche Geschichten geteilt haben. Obwohl jedes Gespräch einzigartig war, kamen sechs „große“ Themen immer wieder auf, nach denen ich auch meinen Reisebericht strukturiert habe: Die Unterschiede zwischen der feministischen Bewegung in der Stadt und auf dem Land, die Unterschiede zwischen den verschiedenen Regionen, Feminismus zwischen den Generationen, Gewalt gegen Frauen, die verschiedenen Arten von Feminismus und die persönlichen Aspekte des Themas.
Genau wie später vor dem Gespräch mit Aitziber spürte ich die Aufregung vor Reiseantritt: Wie werde ich mich mit den Menschen verstehen? Kann ich gut genug kommunizieren? Und wie werde ich alleine auf Reisen klarkommen? Doch schon nach den ersten Kontakten mit den Menschen in meinem Reiseland hat sich die Anspannung gelegt. Ich war sofort umgeben von so viel Gastfreundschaft, aufrichtigem Interesse, gutem Essen und wunderbaren Gesprächen. So erklärte mir Aitziber in einem kleinen Café, wie stark der Unterschied in der Bildung von Mädchen und Jungen ist. Nati erzählte mir abends auf der Terrasse, wie stark die Franco-Diktatur die feministische Bewegung eingeschränkt hatte und wie schnell sich das Land anschließend erholen konnte. Und Mati inspirierte mich mit ihren Erzählungen über die vielen Aktionen in ihrem kleinen Dorf im spanischen Hinterland, welche die Frauengemeinschaft zusammenführen sollen. Gemeinsam mit meinen Interviewpartnerinnen habe ich diskutiert, gequatscht und Momente geteilt, die ich nie vergessen werde. Denn ich habe auf meiner Reise nicht nur wahnsinnig viel zu den verschiedenen Facetten des Feminismus gelernt, sondern auch neue Eigenschaften an mir entdeckt. Ich habe gelernt richtig zuzuhören, meine Meinung und Vorurteile beiseitezulegen und mich mitreißen zu lassen von dem unerschütterlichen Engagement der Frauen, die unsere Welt gerechter machen wollen.
Und so bin ich auch noch heute, fast ein Jahr nach meiner Reise, fasziniert von dem Thema. Alle diese Leute haben mir gezeigt, dass man durch Austausch mit anderen wirklich etwas verändern kann. So bin ich in meiner Heimatstadt selbst einem feministischen Kollektiv beigetreten und bleibe weiterhin in Kontakt mit vielen meiner neu gefundenen FreundInnen aus Spanien. Jetzt verstehe ich auch genau, warum man sagt, dass die zis-Erfahrung auch nach der Reise weitergeht :).